Montag, 16. Juni 2014

Öffentlich-rechtliche Subvention

Seit vier Tagen rollt der Ball in Brasilien - und in ARD und ZDF. Seit 1954 übertragen in Deutschland öffentlich-rechtliche Rundfunktanstalten die Fußballweltmeisterschaft und bis mindestens 2022 wird sich das nicht ändern: 
Nach den Rechten für die WM 2018 in Russland haben sich ARD und ZDF auch die Übertragungsrechte für die WM in Katar 2022 gesichert - obwohl noch nicht einmal feststeht, ob tatsächlich in den beiden Ländern gespielt wird [1, 2]. Ein kostspieliges Unterfangen: zwischen 150 und 180 Mio € werden alle vier Jahre an die FIFA bezahlt [3]


Aber nicht nur die enormen Kosten lassen die Berichterstattung von ARD & ZDF fragwürdig erscheinen: die Tatsache, dass hier nicht eigenständige Berichte von den Spielen gezeigt werden, sondern Bildmaterial widergegeben wird, dass zentral für alle Fernsehanstalten weltweit produziert wird [4-6], steht im krassen Widerspruch zum selbstformulierten Anspruch nach journalistischer Eigenleistung, wie in den Leitlinien der ARD definiert [7]. Dort wird auch von Objektivität und Unabhängigkeit gesprochen - angesichts der Zensur, wie sie zum Beispiel bei der EM 2012 von der Bildregie praktiziert wurde [8] wird auch dieses Ziel verfehlt. Und ob die Fokussierung des Rahmenprogramms auf die von der FIFA inszenierten Partystimmung der Sensibilisierung für die Anliegen von Minderheiten zuträglich ist, darf wohl bezweifelt werden.

Aber unabhängig davon, ob ARD und ZDF ihren eigenen journalistischen Grundsätzen gerecht werden oder nicht, muss infrage gestellt werden, ob die Übertragung der Weltmeisterschaft überhaupt deren Aufgabe sein sollte, wie es im Rundfunktstaatsvertrag festgelegt ist [9]. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als die Gewährleistung einer medialen Grundversorgung definiert [10]. Fußball-Weltmeisterschaften sind im 21. Jahrhundert ein bis zur Perfektion durchkommerzialisiertes Produkt. Es handelt sich nicht länger nur um ein weltweites Fußballturnier, sondern um ein Erzeugnis, das der Unterhaltungsindustrie zuzuordnen ist und das entsprechend vermarktet wird. Und an diesem Punkt sollte der Auftrag der Öffentlich-rechtlichen eigentlich enden. Das Argument der Quote greift hier nicht - damit könnte man auch die Übertragung des Dschungelkamps in ARD oder ZDF rechtfertigen.
Auch in anderen europäischen Ländern werden die Spiele der Weltmeisterschaft von öffentlichen Rundfunkanstalten übertragen [11]. Die Vermarktung von Übertragungsrechten in Europa ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der FIFA und macht etwa ein Drittel des Umsatzes aus, der bei Weltmeisterschaften generiert wird - etwa 1,3 Mrd USD [12]. Ein Großteil des Milliarden-Umsatzes der FIFA wird also aus Steuergeldern und Rundfunkgebühren bezahlt.




[1] http://www.rp-online.de/sport/fussball/wm/ard-und-zdf-erhalten-uebertragungsrechte-aid-1.2775228
[2] http://www.tagesspiegel.de/medien/oeffentlich-rechtlich-aber-clever-es-geht-auch-ohne-scheich/10016690.html
[3] http://www.tagesspiegel.de/sport/fussball-wm-2014-im-fernsehen-18-uhr-gewinnt/9176908.html
[4] http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm-2006/deutschland-und-die-wm/medien-wirklichkeit-ich-sehe-was-und-das-ist-rund-1328763.html
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Infront_Sports_%26_Media
[6] http://www.nachrichten.de/wirtschaft/Fussball-uebertragung-der-FIFA-Fussballweltmeisterschaft-2014-in-Brasilien---Studio-Berlin-ist-dabei-aid_2766997006806458362.html
[7] http://www.daserste.de/specials/ueber-uns/ard-leitlinien-2012-100.pdf
[8] http://www.taz.de/!95484/
[9] http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Rechtsgrundlagen/Gesetze_aktuell/15_RStV_01-01-2013.pdf
[10] http://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkurteil#8._Rundfunk-Urteil:_Geb.C3.BChrenurteil
[11] http://www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/fussball-weltmeisterschaft-2022-bei-ard-und-zdf-100.html
[12] http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/01/39/20/45/web_fifa_fr2010_ger.pdf 





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