Donnerstag, 24. Juli 2014

Plötzlich dagegen



Es muss wohl am Sommerloch liegen. Wie sonst wäre die Forderung nach einem Entzug der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 – Russland wird Gastgeber sein – durch  Politiker beinahe jeder Couleur zu erklären? Warum genau sind diese Leute auf einmal der Ansicht, dass eine Fußball-Weltmeisterschaft eine demokratische Veranstaltung sein sollte, nachdem sie – weil es aufgrund des sportlichen Erfolgs der deutschen Mannschaft opportun war – die gerade vergangene Weltmeisterschaft ohne viel hörbare Kritik mitgetragen haben? 
Diese Forderung geht an allen guten Argumenten gegen eine WM in Russland vorbei und dient ausschließlich der Erzeugung von Aufmerksamkeit. Und eines gewissen Wohlfühlklimas: wir sind die Guten. Und Putin ist böse. Ein bisschen heile Welt, mehr nicht!


Anmerkung: dem Thema dieses Posts entsprechend habe ich den Titel des Blogs angepasst – nach dem Spiel ist vor dem Bla!





Montag, 7. Juli 2014

Elitäre Spiele

Jetzt ist auch statistisch belegt: die so genannte "WM für das Volk" findet nicht statt. Vielmehr bevölkert eine wohlhabende Minderheit die Stadien: 90% der Stadionbesucher beim Achtenfinale zwischen Brasilien und Chile gehörten der Ober- und der gehobenen Mittelschicht an, die nur einen Anteil von rund 10% an der Bevölkerung hat. Teure Tickets halten die traditionelle Stadiongängerschaft fern.
Ein Effekt der über die Weltmeisterschaft hinaus anhalten wird: auch die Preise der Tickets der Vereine, die in den FIFA-konformen Stadien spielen sind zuletzt drastisch gestiegen.




Freitag, 4. Juli 2014

Nebenjob

Wie Sepp Blatter nicht müde wird zu betonen, handelt es sich bei er FIFA um eine non-profit-organisation. Die machen also keinen Gewinn, sondern horten nur einen gigantischen Berg Geld, den sie Reserve nennen. Wenn man als Funktionär also mehr vom Kuchen abbekommen möchte, als ein paar hunderttausend Euro Aufwandsentschädigung und Spesen im Jahr, dann muss man kreativ werden. Zum Beispiel kann man sich ein paar Jungs von de Wettmafia warmhalten, Tickets veruntreuen und in ein ziemlich lukratives Geschäft einsteigen - wie es heißt, sind Karten für das Finale der Weltmeisterschaft für bis zu 11.500 Euro auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Ein phantastischer Businessplan. Das scheint sich zumindest ein FIFA-Funktionär gedacht haben.




Donnerstag, 26. Juni 2014

Gehackt

Während die Proteste auf der Straße in Brasilien in den letzten Tagen kontinuierlich an Zulauf verloren haben sind neue Akteure aufgetreten: Anonymous soll die Webseiten der Weltmeisterschaft, von Sponsoren und brasilianischen Behörden vorübergehend lahmgelegt haben. Das die Weltmeisterschaft zu dem Zeitpunkt bereits eine Woche lief war den Hackern scheinbar entgangen. Und dass die zuvor großspurig angekündigte Sabotage der Veranstaltung ein wenig realitätsfern ist, angesichts des gigantischen Aufgebots an Sicherheitskräften, die den Ablauf garantieren.

Mittwoch, 25. Juni 2014

Protest V

Das Ziel von FIFA und brasilianischer Regierung eine demonstrationsfreie Weltmeisterschaft durchzuführen scheint weitestgehend erreicht worden zu sein - die letzten WM-kritischen Kundgebungen sind nur noch sehr schlecht besucht und werden meist von massiven Polizeieinsätzen völlig abgeschirmt, Festnahmen - vor allem der prominenten Teilnehmer - gehören zum Ablauf. Die große Party bleibt völlig unbeeinflusst, Touristen sehen nicht, was sie nicht sehen sollen. Das überdrehte Sicherheitskonzept scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben - die Einschüchterung funktioniert.








Dienstag, 24. Juni 2014

Nur Spaß

Seit das Phänomen 2006 aufkam wird unablässig betont, dass der Schland-Hype eine völlig friedliche und vor allem völlig unverkrampfte Form von Patriotismus ist. Nationalistisch, chauvinistisch oder gar rassistisch sei das kollektive Fähnchenschwenken nicht. Wie wenig diese  pauschalen Einschätzungen wert sind hat sich am Wochenende während des Spiels zwischen  Deutschland und Ghana gezeigt: da posieren auf der Tribüne Fußballfans - scheinbar aus Deutschland - mit schwarz geschminkten Gesichtern. Das Blackfacing rassistisch ist, darüber sollte selbst in Deutschland seit dem völlig unreflektierten Auftritt von Markus Lanz eigentlich Klarheit herrschen.
Noch erschreckender ist, was während des Spiels von völlig hängengebliebenen deutschen Fußballfans auf Twitter so rausgehauen wurde.



Nachtrag: 

a) Die FIFA sieht sich außer Stande gegen die beiden Fans und ihr rassistisches Verhalten vorzugehen. 

b) Dieser Artikel in der Süddeutschen setzt sich mit den Grenzen von Party-Patriotismus und Nationalismus auseinander.




Samstag, 21. Juni 2014

Die Profiteure



Dass die Ausrichtung einer Fußball-Weltmeisterschaft eine kostspielige Angelegenheit hat ja bereits die WM 2010 in Südafrika eindrucksvoll gezeigt. In Brasilien wird das nicht anders sein - im Gegenteil die Kosten betragen ein Vielfaches der vorangegangenen Turniere: die Neu-  und Umbauten der 12 WM-Stadien kosten zusammen über 3 Mrd. Euro [1] – die Gesamtkosten des Turniers werden mit etwa 11 Mrd. Euro angegeben [2]. Der Anteil der öffentlichen Hand liegt bei über 80% [3]. Da die erwarteten Einnahmen durch die Weltmeisterschaft deutlich geringer ausfallen werden als die Investitionen, wird ein Defizit in Milliardenhöhe resultieren.
Das wirft natürlich die Frage auf, warum überhaupt Staaten ein Interesse daran haben solch ein kostspieliges Event auszurichten.

Freitag, 20. Juni 2014

Teurer Spaß

Wenn man dem Boulevard glaubt, dann hat Angela Merkel mit ihrem Besuch der Weltmeisterschaft den Auftaktsieg der deutschen Mannschaft quasi im Alleingang klargemacht. Wenn es so war, dann wars ein teuer erkaufter Sieg: angeblich hat die Reise im regierungseigenen Flugzeug rund 300.000 Euro gekostet.

Donnerstag, 19. Juni 2014

Abseits

Rüstungs-Geschäfte sind ja in der Regel eine nicht so populäre Angelegenheit - vor allem, wenn sie mit Staaten abgeschlossen werden, in denen das mit den Menschenrechten so eine Sache ist. Warum also nicht die Zeit nutzen, in der die ersten acht Seiten jeder Zeitung mit Spielberichten und WM-Gute-Laune-Bildern gefüllt sind scheint sich die Bundesregierung zu denken. Ein hervorragender Plan, den so werden wohl nicht allzu viele Nchfragen aufkommen, wie den die Ankündigung Sigmar Gabriels Rüstungsexporte zukünftig "restriktiver zu handhaben" mit der Lieferung von 980 Panzern nach Algerien zu vereinbaren ist. Und das als kleine Zugabe gleich noch eine ganze Fabrik mitgeliefert werden soll, in der das Kriegsgerät direkt dort gebaut werden kann, wo es benötigt wird, darüber verhandelt es sich doch viel entspannter, wenn die Tagesschau zur Hälfte mit Fußballberichten gefüllt ist.

Proteste IV

In den sogenannten Qualitätsmedien ist die Berichterstattung über die Proteste im Rahmen der Spiele der Weltmeisterschaft ja in den letzten Tagen ja fast gänzlich - wie nicht anders zu erwarten war - von Berichten über die Spiele verdrängt worden. Protestiet wird trotzdem, zum Beispiel in Rio de Janeiro während des Spiels am Sonntag Abend. Beeindruckende (und ein wenig verstörende) Bilder davon gibt es hier.
Besonders diese Robocops sind in einem Science-Fiction-mässigen Sinne prototypisch für die die Marketing-Armee des 21. Jahrhunderts.



Nachtrag: 

Teile der Spezialeinheiten der Brasilianischen Polizei wurden vom BKA und LKA-Niedersachsen ausgebildet.



Mittwoch, 18. Juni 2014

Unreflektiert

Es heißt, das Quartier der deutschen Mannschaft in Bahia biete den Spielern einen idealen Rückzugsort um sich abseits des Trubels auf die Weltmeisterschaft konzentrieren zu können. 
Offensichtlich schafft es auch die Möglichkeit sich den politischen und gesellschaftlichen Realitäten Brasiliens weitestgehend verschließen zu können.

Dienstag, 17. Juni 2014

Blitz-Demokratie

Gestern ist auch das deutsche Team in die Weltmeisterschaft gestartet und die politische Führung ist ganz nah dran: Angie auf der Tribüne, Angie beim Torjubel und Angie in der Mannschaftskabine umringt von leichtbekleideten Fußballspielern - bereits zum fünften Mal nach den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 und den Europameisterschaften 2008 und 2012 wird das Wahlvolk mit diesen sorgfältig inszenierten Bildern versorgt. Es wird der Eindruck vermittelt, dass auch die Politik in diesen Wochen nichts anderes im Sinn hat als Fußball und Schland. An dieser Stelle lohnt sich ein exakt 57 Sekunden langer Blick zurück ins Jahr 2012:

Montag, 16. Juni 2014

Öffentlich-rechtliche Subvention

Seit vier Tagen rollt der Ball in Brasilien - und in ARD und ZDF. Seit 1954 übertragen in Deutschland öffentlich-rechtliche Rundfunktanstalten die Fußballweltmeisterschaft und bis mindestens 2022 wird sich das nicht ändern: 
Nach den Rechten für die WM 2018 in Russland haben sich ARD und ZDF auch die Übertragungsrechte für die WM in Katar 2022 gesichert - obwohl noch nicht einmal feststeht, ob tatsächlich in den beiden Ländern gespielt wird [1, 2]. Ein kostspieliges Unterfangen: zwischen 150 und 180 Mio € werden alle vier Jahre an die FIFA bezahlt [3]

Sonntag, 15. Juni 2014

Reshaping Rio

Da die Weltmeisterschaft heute Abend auch in Rio de Janeiro ankommen wird ein kurzes Filmchen, wie die Stadt in den letzten Jahren in Vorbereitung auf die WM und die Olympischen Spiel 2016 umgestaltet worden ist - und welche Folgen dies für die Bevölkerung hat:  

Reshaping Rio


Freitag, 13. Juni 2014

Party mit Tränengas

Entsprechend der Ankündigungen hat die Polizei - angeblich unterstützt von der Armee - in São Paulo sichergestellt, dass Proteste gegen die Weltmeisterschaft nicht in die Nähe des Stadions, in dem gestern das Eröffnungsspiel stattfand, gelangen konnte. Der schöne Schein der großen Fußballparty konnte gewahrt bleiben. Die Kehrseite davon sind solche Bilder.







Donnerstag, 12. Juni 2014

Kick-off

Wer (fast) alles, was an dieser Stelle bisher gesagt worden ist in einer brillanten Zusammenfassung sehen möchte, der MUSS diesen Ausschnitt der letzten Ausgabe von Last Week Tonight with John Oliver gucken. GENIAL!


In diesem Sinne: heute Abend geht das Theater los und in einem Monat wird Brasilien gewinnen. Und bereits verloren haben.

Photo: Malcolm Bellamy

Was bis dahin sonst passiert, wird hier nachzulesen sein.

Mittwoch, 11. Juni 2014

Franz Beckenbauer ist nicht korrupt!

Diese ganze Geschichte um Franz Beckenbauer - der natürlich unschuldig ist - zeigt so herrlich, wie unfassbar naiv die deutsche Medienlandschaft ist, wenn es um Korruption geht. Vor zwei Jahren bekam die Lichtgestalt des deutschen Fußballs einen neuen Job: er wurde zum Sportbotschafter vom Verband Russischer Gasproduzenten (RGO) der von Gazprom geführt wird. Fast wörtlich aus einer russischen Agenturmeldung abgeschrieben, konnte man das völlig unkommentiert in der FAZ und im Spiegel nachlesen. Niemand hat damals gefragt, was das denn eigentlich sein soll: ein Sportbotschafter bei der Gaslobby.

Dienstag, 10. Juni 2014

Sepp Blatter gegen Rassismus

Während sich in den Straßen Sao Paulos das Chaos zum Eröffnungsspiel anbahnt, übt sich Sepp Blatter in klimatisierten Konferenzräumen im Krisenmanagement. Und seine Strategie verdient dabei keine anderes Attribut als: genial. Auf Meetings mit den Vertretern der afrikanischen und der asiatischen Fußballverbände erklärte er, dunkle Mächte versuchten die FIFA zu zerstören - man müsse in dieser schweren Stunde zusammenhalten. Unter seiner Führung versteht sich.

Montag, 9. Juni 2014

Franz Beckenbauer ist unschuldig!

Ich bin ja nach wie vor sicher, dass die WM 2022 nicht neu vergeben wird. Und auch die entscheidenden Beweise, dass Franz Beckenbauer involviert war in Korruption und Schiebung werden wohl am Ende nicht gefunden und wenn doch, dann hat er das alles nicht mit absicht gemacht. Wir erinnern uns: Uli Hoeneß hat er vor dessen Verhandlung verteidigt indem er ihm Vergeßlichkeit unterstellt hat. Also, die WM kommt in die Wüste, ein paar (ausgesuchte und minderwichtige) Köpfe werden rollen und sonst bleibt alles beim Alten.

Samstag, 7. Juni 2014

Campo Bahia

Wir sprachen hier kürzlich über das Quartier, dass die deutsche Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft in Brasilien bewohnen wird. Und während sich ein Diskussionsteilnehmer über die Dekadenz empörte, die dieses Projekt ausstrahlt, wurde mir von anderer Seite vorgeworfen, dass ich dieses Thema bisher unterschlagen habe. Ich muss gestehen, dass ich es eher für ein unwochtiges Detail gehalten habe, aber vielleicht lohnt es sich ja doch, da mal einen Blick drauf zu werfen.

Freitag, 6. Juni 2014

Streik

Ob doch ernst gemacht wird? Zumindest haben gestern die Bediensteten der U-Bahn von São Paulo schonmal gezeigt was passiert, was passieren könnte, wenn zum Eröffnungsspiel in sechs Tagen kein öffentlicher Nahverkehr fährt. Und sie scheinen motiviert zu sein - eine gerichtliche Anordnung eine Mindestversorgung sicherzustellen wurde ignoriert.Seit einigen Wochen streiken außerdem regelmäßig die Busfahrer.









Donnerstag, 5. Juni 2014

"Looking for Rio"

Am Wochenende hat auf dem Sidelines: Football Film Festival von Amnesty International in London der neueste Dokumentarfilm von Eric Cantona Premiere. In "Looking for Rio" - seinem insgesamt siebten Film - erkundet er die Historie der vier größten Fußballklubs aus Rio - Fluminense, Vasco da Gama, Flamengo und Botafogo - und den Einfluss der Fußball-Weltmeisterschaft auf die Stadt und die Fußballkultur. Am Beispiel der Weltmeisterschaft 2022 in Katar analysiert er außerdem die Rolle der FIFA, die er als extrem mächtig und korrupt bezeichnet:
"Fifa don’t really care about the sport."
Ein etwas schräges Interview mit dem Regisseur gibts hier.


P.S.: Sobald der Film außerhalb von Londoner Hipster-Kinos zu sehen ist, gibts einen Link.



Mittwoch, 4. Juni 2014

Das FIFA Gesetz

Wenn man sich das Geschäftsgebaren der FIFA in den Austragungsländern während der Fußball-Weltmeisterschaften anschaut, dann kommt man schnell zu der Frage: auf welches Recht stützt sich dieses Vorgehen? Auf welcher Grundlage kann zum Beispiel durchgesetzt werden, dass innerhalb einer Bannmeile um die Stadien herum nur die Premiumsponsoren der FIFA auftreten dürfen? Warum darf Budweiser (natürlich ein Premium-Sponsor) während der WM Bier in den Stadien verkaufen, obwohl der Verkauf alkoholhaltiger Getränke in brasilianischen Fußballstadien eigentlich verboten ist? Warum können Marketing-Aktivitäten von Unternehmen, die keine Premium-Sponsoren sind strafrechtlich verfolgt werden? Und vor allem: warum werden all diese von der FIFA formulierten Ansprüche vor Ort von den Behörden umgesetzt?

Dienstag, 3. Juni 2014

Keine Beweise


Einen umfangreiche Einschätzung der Vorgänge rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 in Katar gibt es von Jens Weinreich.* Vor allem die Rolle von Mohamed bin Hammam in der FIFA wir dargestellt, zum Beispiel wie der einst kräftig mithalf Sepp Blatter ins Amt des FIFA-Präsidenten zu kaufen. Sehr lesenswert.

Montag, 2. Juni 2014

Gekaufte WM

Die in zehn Tagen beginnende Weltmeisterschaft ist für die FIFA für den Moment wohl nicht die wichtigste Baustelle. Die notwendigsten Projekte in Brasilien werden wohl - mehr oder weniger - kurz vor Schluss noch abgeschlossen werden und für denn Fall, dass doch noch etwas schief läuft hat man sich für 900 Mio. USD gegen den Ausfall oder einen verspäteten Beginn des Turniers versichert.

Sonntag, 1. Juni 2014

"The Price of the World Cup "

Ich dachte an nem Sonntag Abend passt vielleicht ein Filmchen ganz gut rein. Ist von nem dänischen Dokumentarfilmer und zeigt an drei Beispielen die direkten Folgen der Weltmeisterschaft für die Bevölkerung auf:





Insgesamt ganz gut gemacht. Hat leider an ein paar Stellen ein paar Schnitt-fehler.

Samstag, 31. Mai 2014

Graffiti

In den letzten Tagen geistern immer mehr Photos von Anti-Worldcup-Graffiti durchs Netz. Am besten finde ich dieses:  


by: Paulo Ito / Flickr Creative Commons

Bilderstrecken gibts hier und hier. Und ein Video mit ein paar Stimmen aus der Bewegung.

Freitag, 30. Mai 2014

Panini

Überragend: dieser "Werbespot" für das "Brasilien 2014 - Paniniheft"










Sicherheit und Ordnung




Ein Aspekt moderner, globaler Sportevents ist ein massiver Einsatz von Sicherheitskräften. Neben Polizei und privaten Sicherheitsdiensten wird hierbei auch gerne auf das Militär zurückgegriffen. Über die Sommerspiele 2012 in London hieß es beispielsweise, sie seien mit der größten Mobilisierung von Militär- und Sicherheitskräften seit dem zweiten Weltkrieg einhergegangen und in Sochi wurden anlässlich der Winterspiele in diesem Jahr rund 40.000 Polizisten und Militärs eingesetzt, um die Stadt in einem Radius von 60 Km hermetisch abzuriegeln.

Diese enormen Aufgebote wird die Weltmeisterschaft in Brasilien noch in den Schatten stellen: 160.000 Sicherheitkräfte sollen in den vier Wochen im Einsatz sein.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Weihnachten 2014 TM

Ein amüsantes Detail am Rande: die FIFA hat sich ja eine umfassende Liste an Begriffen  -  "Copa do Mundo de 2014", "Copa do Mundo da FIFA Brasil 2014" oder auch einfach nur "Copa" - für ihr Weltmeisterschaftsmarketing schützen lassen. Zusätzlich dazu sind aber auch die Namen der Austragungsorte geschützte Marken, wie "Rio de Janeiro 2014" oder "São Paulo 2014". Nun ist einer der Austragungorte die Stadt Natal im Nordosten Brasiliens. Folglich ist der FIFA das Trademark "Natal 2014" gesichert. Und da Natal das Portugisische Wort für Weihnachten ist, besitzt die FIFA bis Ende des Jahres in Brasilien die Vermarktungsrechte an "Weihnachten 2014" [1]


[1] World Cup 2014: at the Brazil finals a goggle-eyed man will be king (Guardian)



Im Dienste der Politik

Ganz nach dem großen Vorbild Pele lässt sich Ronaldo in seiner Funktion als WM-Botschafter von der Politik einspannen. Hinsichtlich der Verzögerten Fertigstellung von Stadien und Infrastruktur äußert er:
Die Menschen sollten verstehen: Es liegt an der Regierung. Die Regierung, die sie selbst gewählt haben. Es hat nichts mit Fußball oder der Weltmeisterschaft zu tun. [1]
Nicht nur, dass das nach einem Hinweiß klingt, diese Regierung bei den Wahlen im Herbst nicht wieder zu wählen, es diffamiert auch die Motive der Proteste gegen die Weltmeisterschaft: nicht der organisatorische Misserfolg wird kritisiert, sondern die Tatsache, dass überhaupt derart gigantische Mengen öffentlichen Geldes für ein Prestigeprojekt aufgewendet werden.

[1] Auch solche Aussagen werden von der hisigen Presse unreflektiert wieder-gegeben. Aber auch diese Zeitung ist eben scheiße.



Mittwoch, 28. Mai 2014

Keine Bild zur WM

Zum anstehenden Auftakt der Weltmeisterschaft versorgt uns die Bild-Zeitung am 6. Juni wiedermal mit einer Gratis-Sonderausgabe. Jeder Haushalt bekommt kostenlos ein Exemplar zugestellt. Ungefragt, versteht sich. Mehr Details und eine einfache Anleitung wie man dem Springerverlag die Zustellung in den eigenen Briefkasten untersagen kann gibts im Bildblog.


P.S.: ich bekomme keine. Hat beim letzten Mal gut funktioniert und wird wohl auch dieses mal klappen.




Gute Stimmung

Eine sehr schöne Formulierung für die Erwartung, dass die Berichterstattung über die Weltmeisterschaft von ARD und ZDF nicht allzu kritisch ausfallen wird, sobald der Ball einmal rollt habe ich im Forum von 11 Freunden gelesen:

Und Partys [1], für die man sich teuer eingerichtet hat, sprengt man nicht selbst, indem man den Leuten zwischen den Häppchen sagt: "Das schmeckt alles prima und macht satt. Aber passt auf, da könnten Glasscherben in der Leberpastete stecken – und für den Kaviar ging woanders jemand über Laichen. Zumindest manchmal."

Ob eine kritische Berichterstattung überhaupt möglich ist, wenn die Hoheit über die Bilder von den Spielen  in den Händen einer Produktionsgesellschaft liegt, die im Auftrag der FIFA exklusiv die Übertragungen produziert ist darüberhinaus fraglich. Wenn die ganze Welt ein homogenisiertes Format - dieselben Bilder für 250 TV-Sender weltweit - vorgesetzt bekommt, dann wird - zumindest während der Spiele - nicht gezeigt, was nicht in die schöne FIFA-Fußballwelt passt.



[1] die Party kostet zwischen 150 und 180 Mio Euro.

Dienstag, 27. Mai 2014

Neue Proteste III

Der Protest findet seine Bühne.

Nachtrag:

Da der Spiegel den Fokus gewohnheitsgemäß auf hübsche Photostrecken legt sei noch dieser Artikel nachgereicht, damit nicht nur ein paar Agenturphotos überliefert bleiben.

Meta-Berichterstattung

Die Universität Erfurt hat in einer Studie über die deutsche Auslandsbericht-erstattung über Brasilien festgestellt, dass in der deutschen Presse in den letzten Jahren ein einseitiges Bild von Brasilien gezeichnet worden ist. Wirtschaftliche Themen wurden überproportional wiedergegeben, während innenpolitische und soziale Aspekte weitgehen unbeachtet geblieben sind.
Deutschen Bürgern fehlen auf diese Weise oft wichtige und kritische politische Hintergründe.
Die Autoren begründen damit die hiesige Verwunderung darüber, dass in Brasilien im Hinblick auf die Weltmeisterschaft nicht nur gute Stimmung herrscht.





Geldkarussell

Im Bezug auf die Fußball-Weltmeisterschaft wird gerne geschrieben, sie sei eine Gelddruckmaschine. Und dass sie für die Gastgeberländer einen immensen finanziellen Aufwand bedeutet. Die Graphik zeigt für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika die Bilanz der FIFA, des Organisationskommites in Südafrika (OK) und die Kosten für die sechs Stadien, die für die Weltmeisterschaft neu errichtet worden sind. Alle Beträge sind in USD angegeben.


[1-7]    tom, CC by 4.0


Der Gewinner der Geldverteilung ist - wenig überraschend - die FIFA.

Montag, 26. Mai 2014

Verschiedene Perspektiven



Knapp drei Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft ist die Berichterstattung noch vom ein oder anderen kritischen Ton geprägt. Da vorerst nicht viel mehr zu kommentieren ist, als die Frage welche Spieler von welchen Wehwehchen geplagt sind, wird allenthalben die  Frage aufgeworfen, ob die Austragung der WM in Brasilien wirklich eine gute Idee ist.  Mehr noch als die Meinungen gehen dabei die Perspektiven der Kommentatoren auseinander. Ein Beispiel dafür ist die neu errichtete Arena da Amazônia in Manaus. England wird hier sein erstes Gruppenspiel austragen und auf der Insel zeigtman sich empört:  in der großen Hitze des Tropischen Klimas sei es nicht zumutbar ein Fußballspiel auszutragen und OttmarHitzfeld sekundiert die Austragung mitten im Amazonasgebiet sei unverantwortlich. 

So kann man die Sache natürlich bewerten. Ebenso könnte man feststellen, dass hier unter enormer Aufwendung öffentlicher Mittel  (ca.206.000.000 €) ein völlig nutzloses Station aus dem Boden gestampft worden ist, dessen Nutzung über die vier angesetzten Gruppenspiele der WM hinaus fraglich ist. Der größte lokale Verein São Raimundo Esporte Clube spielt nur in der dritthöchsten brasilianischen Spielklasse und empfängt zu seinen Heimspielen im Schnitt nur etwa 500 Zuschauer. Eine „Touristenattraktion“ soll das Bauwerk  nach Ablauf seiner Zeit als Fußballstadion – also ab dem 23. Juni 2014 – nach Vorstellung der Lokalregierung werden. Eine recht kostspielige ist man geneigt hinzuzufügen.

Natürlich könnte man auch die offensichtlich zu geringenSicherheitsstandards beim Bau des Stadions kritisieren, die zu insgesamt vier Todesfällen auf der Baustelle geführt haben.

Oder man stellt das Nörgeln ein und betrachtet das Projekt wie seine Erbauer (gmp) als die großartige Vision des Stadions im Dschungel. Ganz im Sinne Fitzcarraldos. Aber dieses Projekt ist ja seinerzeit auch entglitten.

Freitag, 23. Mai 2014

Neue Proteste II

Rund drei Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft scheint sich die Gegenbewegung in Brasilien wieder zu formieren: In São Paulo und 17 anderen Städten demonstrierten gestern einige tausend gegen die immensen Kosten der WM. 

Dabei fällt im Vergleich zu den Protesten im letzten Jahr auf, dass sich die politischen Ziele  - wohl auch vor dem Hintergrund der im Oktober anstehenden Wahlen - konkretisiert haben: maßgebliches Anliegen sind Wohnungsnot und die Stadtentwicklung die im Vorfeld der WM forciert wurde, die an den Bedürfnissen des Großteils der Bevölkerung vorbeigeht.

Die Politik versucht mit Versprechungen zu beschwichtigen:


Brazil's President Dilma Rousseff has promised the squatters low-cost government housing to resolve the dispute. 

Wo letztlich die priorität liegt wird im Nachsatz deutlich:

But her government has warned that it will call in troops if necessary to prevent protests disrupting the soccer games.

Im Klartext: The games must go on!


Donnerstag, 22. Mai 2014

United Passions



Pünktlich zur Weltmeisterschaft läuft in Cannes der Film "United Passions" an, der die Geschichte der FIFA nachzeichnet. Das nötige Kleingeld zur Finanzierung der Aufwändigen Besetzung (Gérard Depardieu, Sam Neill, Tim Roth) steuert die FIFA selbst bei: vom rund 23 Mio € betragenden Etat stammen knapp 20 Mio € aus der gut gefüllten Kasse des Weltverbandes. 
Damit ist dieses kitschige Propagandastück rund zehnmal so teuer wie der Jahresetat des "Football for hope"-Projekts mit dem sich die FIFA gerne zur Wohltätigkeitsorganisation stilisiert.